Literatur als Erinnerungsort

 

 

„Literatur als Erinnerungsort bietet die Möglichkeit wie bei einer Gedenkstätte immer wieder an den Ort zurückzukehren, sich mit einem Thema zu befassen. Wie ein Ort, eine Gedenkstätte kann Literatur neue Perspektiven eröffnen, auf Details hinweisen. Literatur kann einen 'Besuch im Hades' nicht ersetzen."
Ulrike Strube


„Die Thematik, die Aufarbeitung des Holocaust in den Medien, stellt unserer Meinung nach ein fast unendliches wissenschaftliches Feld dar, welches noch weiterer Forschung bedarf. Zwar gibt es nach Lage der Dinge mehr Filme in Ost und West, die sich mit der Materie auch direkt nach dem Krieg beschäftigt haben, als wir zunächst aus der Sekundärliteratur erfuhren, aber die Tatsache, dass nur sehr wenige Dokumentationen zu Filmen außerhalb des Kanons existieren, belegen unsere These von der Notwendigkeit einer notwendigen Aufarbeitung, ob für den universitären oder schulischen Kontext."
Isabell Peuker / Markus Scharrer


„Wir wollen diesen Texten und AutorInnen deshalb auf keinen Fall gleiche Erfahrungen und damit dieselbe Literatur oder Aussagen unterstellen, wir wollten sie nur wahrnehmen und ihnen dann einen Platz im Seminar geben."
Katja Kahle / Sandra Schramm


ROLF HOCHHUTH: Der Stellvertreter

„Ebenso wie die deutsche Gesellschaft hatte auch die Literatur bei der Aufarbeitung der Frage nach der deutschen Schuld im ersten Nachkriegsjahrzehnt versagt. Erst Anfang der 60er Jahre setzte in der deutschsprachigen Literatur ein zunehmender Aufarbeitungsprozess ein. Einen Teil dieser Arbeit übernahm das Drama der 60er Jahre. Stücke wie Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth oder Der schwarze Schwan von Martin Walser sorgten dabei für regelrechte Theaterskandale, weil sie - wie bei Hochhuth - die Frage nach Schuld und Mitschuld nun auch Institutionen (wie der Kirche) stellten oder weil sie - wie bei Walser - die bürgerliche Gesellschaft als Mittäter an den Verbrechen von einst entlarvten. Eine Sonderstellung in unserem Kontext kommt dem Stück Die Ermittlung von Peter Weiss zu, da es sich direkt mit dem Frankfurter Auschwitz-Prozess auseinander setzte."
Kathrin Dowall / Thomas Gutke


„Das Drama „Der Stellvertreter" hat vielfältige Deutungsebenen. Hochhuths Appell kann auch wie folgt verstanden werden: Jeder Mensch ist in gewissem Sinne ein Stellvertreter. Ein Mensch ist Stellvertreter der Menschheit."
„Es geht Hochhuth also im „Stellvertreter" nicht um die Analyse eines Staats- oder Kirchensystems in einer bestimmten historischen Situation, sondern um die Analyse der Verhaltensweisen bestimmter Personen, wobei Hochhuth stets die Verantwortlichkeit und die Handlungsmöglichkeit des einzelnen betont."
Helvi Koch / Juliane Standke

PETER WEISS: Die Ermittlung

„Peter Weiss übernahm hier grundsätzlich die Konstellation des Gerichtsprozesses, aber nicht den Ablauf und die Struktur. Er unterteilte das Drama in elf Gesänge, die den Leidensweg der Opfer vom 'Gesang von der Rampe' bis zum 'Gesang von den Feueröfen' zeichnen. Durch die Aussagen der Zeugen setzt das Stück, Station für Station die Topographie des Vernichtungslagers zusammen. Peter Weiss legte die Aussagen von ursprünglich 360 Zeugen insgesamt neun namenlosen Zeugen-figuren in den Mund.
„Peter Weiss sah in Die Ermittlung seinen Beitrag zu deutschen Vergangenheitsbewältigung und hoffte auf den Beginn der gesellschaftlichen Erinnerungsarbeit."
Kathrin Dowall / Thomas Gutke


Das TAGEBUCH der ANNE FRANK

„Eine deutsche Übersetzung lag bereits 1950 in gebundener Form vom Fischer-Verlag vor. Allerdings verkaufte sich das heute in über 20 Sprachen übersetzte Werk mit 4.500 Exemplaren sehr mäßig. In den Vereinigten Staaten jedoch fand es mehr Beachtung. Zehnmal so viele Bücher wurden verkauft [...] Nach Erscheinen der US-Verfilmung aus dem Jahre 1958 wurden bis zu 700.000 Exemplare bis Ende der 50er Jahre verkauft. Auf deutschen Bühnen wurde es zeitweilig zum meist gespielten Stück der späten 50er Jahre."
Isabell Peuker / Markus Scharrer


ART SPIEGELMAN: Mouse II

„[Es] ist eine gewisse Art von Moral in allegorischer Form enthalten, aber nicht durch einen eingefügten oder angehängten Kommentar. Die Typisierung der Personen ist bewusst gewählt worden, um den Leser direkt, aber nicht persönlich anzusprechen. Man ist gewissermaßen gezwungen, sich mit den Figuren zu identifizieren. Es könnte jeder gemeint sein, oder niemand bestimmtes."
Anne Harder


FRED WANDER: Der siebente Brunnen

„Chassidische Weisheiten werden zur Zuflucht und spenden den Gefangenen Trost. Die Worte des Propheten und andere Textzitate ersetzen den physischen Ausdruck des Mitleidens, so zitieren die Häftlinge z.B. aufbauende Textstellen, wenn sie einander physisch nicht nahe kommen dürfen um zu helfen. Wander beschreibt, wie die aus Jahrhunderten gewachsene List der Chassiden angewendet wird um zu überleben.
[Es] beschreibt Überlebensstrategien der Häftlinge. Hierbei geht es nicht so sehr um den Überlebenskampf, sondern um Gegenentwürfe zur Unmenschlichkeit im Lager. Wander zeigt, wie Menschen als Menschen in der Unmenschlichkeit zu überleben versuchen, indem sie ihr Menschlichkeit entgegensetzen und lebenserhaltende Kräfte mobilisieren (vgl. Thunecke 1999: 252; Wolf 2005: 18)."
„Meine eigene Interpretation führte zum Ergebnis, dass Wander alle Figuren in der Erzählung - gut oder „böse" - versucht zu portraitieren und dabei kaum Unterschiede macht. Trotzdem, so der Einwand aus der Gruppe, blieben die SS-Männer blass, stereotyp und unmenschlich. Ich bin weiterhin der Meinung, dass Wander zumindest versucht, auch diesen Menschen ein Gesicht zu geben und zu verstehen, warum sie so geworden sind, wie sie sind. Jedoch kam ich mit der Gruppe zu dem Konsens, dass Wander die SS-Männer meist namenlos lässt und sie nicht direkt, sondern anhand vieler Metaphern beschreibt."
Christina Bismark